Freitag, 28. Mai 2021

Synodaler Weg: Deutscher Katholizismus ist weltweit ein abschreckendes Beispiel

 

In einem offenen „Brief an die katholischen Bischöfe der Welt“ kritisiert Erzbischof Samuel J. Aquila von Denver (USA) harsch den Grundtext über „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ des deutschen „Synodalen Weges“.

Diesen Text gibt es auch als Video unter: https://youtu.be/c7Zd9tHWGEA

Ich möchte lediglich einige Passagen des langen Briefes – 16 Seiten – zitieren und kommentieren, die zwei falsche Grundannahmen oder Leitmotive des deutschen Progressismus sehr deutlich identifizieren und beschreiben (vollständiger Text ganz unten):

ERSTENS: Dass die Kirche mehr oder weniger (ich sage das bewusst so, weil Progressisten selten deutlich sprechen) ein menschliches und kein göttliches Werk ist.

Das betrifft vor allem die kirchliche Hierarchie und das Lehramt.

Die progressistische Auffassung ist: Lehramt und Hierarchie hätten ganz anders werden können, doch die konkreten Machtverhältnisse und die herrschende Kultur hätten die Kirche so geformt, wie sie eben ist. Die falsche Grundannahme führt in Deutschland immer wieder zu einer massiven Ablehnung der Hierarchie, der Kurie, des Vatikans, des Papstverständnis, des römischen Lehramtes. Diese falsche Grundannahme führt auch zur ständigen Neigung der deutschen Progressisten, sich eine im Grunde neue Religion und eine neue Kirche ausdenken zu wollen. Die Progressisten meinen, eine Kirche, die in den theologischen Fakultäten der deutschen Universitäten ausgedacht wird, würde eine perfekte und ideale Kirche sein.

ZWEITENS: Es gibt kein fixes Lehramt. Vielmehr soll ein ewiger Dialogprozess herausfinden, was Gott gerade seinem Volk sagen will. Dieses Volk ist auch nicht klar umrissen. Auch „Prophetinnen“ des Klimas, wie etwa Greta Thunberg, können dazu gehören.

Der offene Brief von Erzbischof Aquila zeigt, dass man diese „Schwächen“ – um es diplomatisch auszudrücken - der deutschen progressistischen Theologie – durchaus scharf wahrnimmt.

So kritisiert Erzbischof Aquila, dass für den „Synodalen Weg“ das Priestertum und die kirchliche Hierarchie historisch entstanden sind, also nicht vom Heiland selbst gestiftet wurden. Es seien zeitliche Konstrukte, die man eben entsprechend des Zeitgeistes ändern könne:

Der hier gewählte Ansatz scheint darauf abzuzielen, den endgültigen und dauerhaften Charakter des Sakraments des heiligen Priestertums zu untergraben. „Prozesse einer Institutionalisierung“ unterscheiden sich explizit vom Wirken des Geistes, der Gaben schenkt. Diese „Prozesse“ und die hierarchische Struktur, die sie hervorgebracht haben, sind daher, so vermutet man, historisch so bedingt, dass sie nur vorläufig sind. Sie hätten drastisch anders sein können und sie könnten es vielleicht noch werden.

Ebenso merkt Erzbischof Aquila an, dass für den deutschen „Synodalen Weg“ das Lehramt keine feste Größe sei, sondern eher eine Grundlage zum Diskutieren.

Die Synodalversammlung hingegen stellt die Rolle des Lehramtes der Kirche als eine Rolle der Dialogmoderation vor (Grundtext, S. 13–14). Diese Haltung gegenüber der Lehrvollmacht, auch der des Heiligen Vaters selbst, wurde durch die Reaktion seiner Exzellenz, Bischof Bätzing, auf die Antwort der Kongregation für die Glaubenslehre auf ein Dubium über die Möglichkeit der Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen veranschaulicht. Er merkte an, „der Synodale Weg ... ist deshalb bestrebt, gerade das Thema gelingender Beziehungen in einer umfassenden Weise zu diskutieren, die auch die Notwendigkeit und die Grenzen kirchlicher Lehrentwicklung bedenkt. Die von der Glaubenskongregation heute vorgebrachten Gesichtspunkte müssen und werden selbstverständlich in diese Gespräche Eingang finden.“ Die Entscheidung der Glaubenskongregation, die Ausdruck des ordentlichen päpstlichen Lehramtes ist (vgl. Donum veritatis Nr. 18), fügt somit nur „Gesichtspunkte“ hinzu, die in die Erwägung der Versammlung eingehen werden.

Wie viele andere auch, kritisiert Erzbischof Aquila die starke Neigung des deutschen Progressismus, die Kirche als eine weitere beliebige Institution anzusehen, die am gesellschaftlichen Dialog teilnimmt. Der übernatürliche Charakter und das eigentliche Ziel der Kirche, das Heil der Menschen, bleiben so gut wie unberücksichtigt im Grundtext des deutschen „Synodalen Weges“.

Eine aufmerksame Lektüre des Grundtextes in seiner Gesamtheit macht es schwierig, die Schlussfolgerung zu vermeiden, dass die Synodalversammlung hofft, eine Kirche herbeizuführen, die, weit davon entfernt, die Verachtung der Welt für ihre Treue zu Christus zu erleiden, und die in erster Linie von der Welt beeinflusst und von ihr bequem als eine anerkannte Institution unter anderen akzeptiert wird. Die Kirche scheint nach Ansicht der Versammlung „dem Anspruch des Evangeliums und den Standards einer pluralen, offenen Gesellschaft in einem demokratischen Rechtsstaat“ gleichermaßen verpflichtet zu sein (Grundtext, S. 2; Hervorhebung hinzugefügt). Einerseits wird „der Anspruch des Evangeliums“ nie genau festgelegt. Andererseits fordert der Grundtext, dass die Kirche und ihre Botschaft an „den Standards“ des saeculums, der modernen Welt, gemessen werden, deren „aufgeklärte und plurale Gesellschaft“ (Grundtext, S. 9) das Dokument mit ungetrübter Begeisterung umarmt.

Der „Synodale Weg“ denkt in politischen, insbesondere machtpolitischen Kategorien. Deshalb kommt er auch zu falschen Schlüssen hinsichtlich Priesteramtes und Lehramt. Das Ziel dieser ist ja nicht die Ausübung von Macht, sondern das Heil der Menschen. Der „Grundtext des „Synodalen Weges“ ist somit von einem tiefen Misstrauen gegen die Strukturen der Kirche geprägt und meint, eine Demokratisierung würde Machtmissbrauch (der ja tatsächlich vorkommen kann) verhindern können. Erzbischof Aquila:

Es ist daher bedauerlich, dass der Grundtext davon ausgeht, dass der beste oder einzige Weg, die Machtausübung zu reformieren, darin besteht, sie durch ein System von „checks and balances“ zu aufzuteilen. Die Annahmen hinter einem solchen System sind es wert, ans Licht gebracht zu werden. Sind die Geistlichen und Laien Mitglieder des einen Leibes Christi, die dasselbe gemeinsame Gut der ewigen Erlösung suchen, oder trennen sie sich in Interessengruppen, die ihre eigenen Ziele in Konkurrenz zueinander verfolgen müssen? Ist Macht immer eine Frage der Selbstsucht, oder kann sie durch Gottes Gnade in Christus gereinigt werden? Anstatt einen klaren Aufruf zur Heiligkeit zu veröffentlichen, wie vom Zweiten Vatikanischen Konzil (Lumen gentium 5) vorgeschlagen und von Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben Gaudete et exsultate bekräftigt wurde, appelliert das Dokument an weltliche Modelle, die nicht von Christus geformt oder vom Heiligen Geist geleitet werden.


Foto: Pressefoto Synodaler Weg/Robert Kiderle

Den vollen Wortlaut des Briefes: https://drive.google.com/file/d/1QxZfKgFUmwaUUjz2OCjRmyTMELDqv10S/view