Dienstag, 3. Mai 2016

Grün-schwarzer Koalitionsvertrag in BaWü – alle Optionen bleiben offen

Erstaunlich schnell waren CDU und Grüne in Baden-Württemberg in der Lage, einen Koalitionsvertrag zu entwerfen. Dieser wurde am 2. Mai 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Grünen werden am 6. Mai einen Parteitag abhalten, die CDU am 7. Mai. Auf diesen Parteitagen muss die Parteibasis dem Koalitionsvertrag zustimmen.
 

Der Bildungsplan ist im Kapitel über Bildung behandelt: „Wir werden die Umsetzung der Bildungspläne auch aufgrund des Anspruches der hohen Qualität eng begleiten und bei der Umsetzung auftretende fachlich erforderliche Korrekturen vornehmen. Das Instrument der Leitperspektiven werden wir auf seine Umsetzbarkeit und Praxistauglichkeit hin überprüfen.

Um eine aktive Teilhabe junger Menschen in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft zu ermöglichen, wollen wir sicherstellen, dass wichtige Inhalte der politischen Bildung auch künftig in einem angemessenen Umfang und Tiefe vermittelt werden. Schülerinnen und Schüler sollen den Wert der Demokratie durch Teilhabe bereits in der Schule erfahren können.


Mit andern Worten: Der Bildungsplan von Andreas Stoch wird zunächst so angewendet, wie er in Kraft gesetzt wurde. In diesem ist Gender in den Leitperspektiven vollständig enthalten. Doch man kündigt gleich an, gegebenenfalls Änderungen vornehmen zu wollen. Abgesehen davon sind die Leitperspektiven allgemeine Normen. Wie diese den tatsächlichen Schulalltag prägen sollen, muss näher definiert werden.

Außerdem ist entscheidend, wer Kultusminister wird. Das Ressort erhielt die CDU. Es sind zwei Namen im Gespräch. Georg Wacker, ausgesprochener Gegner des grün-roten Bildungsplans, und die Stuttgarter Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann. Frau Eisenmann hat sich bislang aus der Diskussion herausgehalten.

Unter diesen Voraussetzungen ergeben sich folgende Zukunftsszenarien:

Szenario 1: Es wäre denkbar, dass die neue Koalition auf „Gender in der Schule“ weitgehend verzichtet oder es auf Sparflamme hält.

Die Zuständigkeit der Landesministerien ist so zugeschnitten, dass sich Minister der CDU und der Grünen nicht auf die Füße treten. Jede Partei kann sich also mehr oder weniger im Rahmen des Koalitionsvertrages frei entfalten. Schulpolitik ist ein klassisches CDU-Ressort. Dass nun die CDU die Einführung von Gender in die Schulen forciert, wäre geradezu selbstmörderisch.

Dagegen würden natürlich die LSBTIQ-Gruppen protestieren, doch diese werden großzügig im Koalitionsvertrag bedacht: „Der Aktionsplan 'Für Akzeptanz und gleiche Rechte Baden-Württemberg’ will die Öffentlichkeit für das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sensibilisieren und Ausgrenzung und Benachteiligung entgegenwirken. Wir werden die Maßnahmen aus dem Aktionsplan auf ihre Eignung und Wirksamkeit hin prüfen und gegebenenfalls weiterentwickeln.“ Konkret heißt das: Genügend Geld für Aktivistengruppen aus diesem Milieu.

Sollte Georg Wacker Kultusminister werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Gender in den Schulen gar nicht oder auf Sparflamme gehalten wird. Die Wahl von Frau Eisenmann wiederum wäre im Grunde eine Konsenslösung, die aber wenig aussagekräftig über die künftige Richtung wäre. Das Risiko, dass die Proteste nun weitergehen, bliebe hoch.

Eine Gangart, die eine große Harmonie zwischen CDU und Grünen zeigt, wäre auch einer schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene nach den Wahlen nächstes Jahr dienlich. Aufgrund der politischen Großwetterlage sehen beide Parteien die Notwendigkeit, solche Bündnisse schließen zu können.

Ein zweites Szenario ist auch möglich: Gender wird in den Schulen so eingeführt, wie das ursprünglich angedacht war. In diesem Falle würde man auf Konfrontation gegen die Bildungsplangegner setzen. Die CDU würde damit dokumentieren, dass sie auch in der Schulpolitik eine linke Politik favorisiert. Diese Strategie würde sich aber nicht nur gegen die Bildungsplangegner richten, sondern auch gegen den konservativen Flügel der CDU, der sich gegen Gender ausgesprochen hat.

Misstrauen seitens der Bildungsplangegner ist jedenfalls angebracht, egal, was beschlossen wird. Die Praxis hat gezeigt, dass man am liebsten die Interessen der Eltern ignorieren würde. Es ist deshalb notwendig, die Protestbereitschaft aufrecht zu halten.