Montag, 27. November 2006

Mehr Wertorientierung im Medienschutz

Von Zeit zu Zeit flammt die Diskussion über die sog.gewaltverherrlichenden Computerspiele im Stile von „Counterstrike“ wieder auf, zuletzt aufgrund des Amoklaufs in Emsdetten. Die Reaktionen von Politikern, Medien und Wissenschaftler sind jedesmal ungefähr gleich. Auf der einen, konservativen Seite, überwiegt die Meinung, daß diese Spiele verboten oder zumindest stark eingeschränkt gehören, weil sie die Kinder und Jugendlichen desorientieren. Auf der anderen Seite stehen solche, die die Meinung vertreten, daß man die Wirkung der Computerspiele gar nicht richtig messen kann, daß die Verhaltensforschung sehr unsichere Ergebnisse liefert und daß Computerspiele allein nicht zu Tragödien wie der Amoklauf von Emsdetten führen können – es gehören andere Faktoren dazu, wie die soziale Umgebung, die psychische Belastbarkeit, der Zustand der Familie usw.

In der Tat ist die Anzahl von (realen) Gewalttaten, die von Computerspielern begangen werden, sehr gering. Die Gegner einer Verschärfung des Jugendmedienschutzes haben sozusagen die Statistiken auf ihrer Seite. Einige von diesen gehen noch weiter und argumentieren, daß die Schuldigen eigentlich der Kapitalismus und die Marktwirtschaft seien, denn so würden die tiefsten Instinkte freigesetzt. Der Markt sei so etwas wie ein Dschungel, in dem es keine Gesetze gibt und deshalb solche Reaktionen wie Amokläufe fördert. Ergebnis: Nur mehr Sozialstaat wird die Probleme lösen, denn auf diesem Wege werden die asozialen Jugendlichen, die für Counterstrike & Co. anfällig sind, in die rechte Bahn gebracht. In diesem Modell ist der Sozialstaat der Garant für die Zivilisation und ohne Sozialstaat landen wir in der Steinzeit.

Wenn es um die sog. gewaltverherrlichende Computerspiele geht, ist die öffentliche Diskussion besonders erhitzt. Doch es finden auch in anderen Bereichen des Jugendmedienschutzes Debatten mit einem ähnlichen Muster statt.

Zum Beispiel hinsichtlich der Sexualität. Die Jugendzeitschrift Bravo, in der fast jede Woche nackte Jugendliche beim Geschlechtsverkehr und die absurdesten Sexualpraktiken erläutert, spaltet auch die Geister: Die Wertkonservativen meinen, daß diese Zeitschrift Kinder und Jugendliche desorientiert und der Jugendschutz müßte stärker regulierend eingreifen können. Diejenigen der Gegenseite, auch wenn sie akzeptieren, daß eine „Sexualaufklärung à la Bravo bedenkliche Seiten besitzt, weisen auf die Unkenntnis der Wirkung solchen Medienprodukte und andere führen sogar an, daß Kinder und Jugendliche durchaus in der Lage sind, moralisch zu unterscheiden und sich nicht desorientieren lassen.

Ein ähnliches Muster verfolgen die Debatten über Erotik und Gewalt im Fernsehen, über Blasphemie (wenn es um die Wirkung auf Jugendliche geht, denn meistens geht es strafrechtliche Aspekte bzw. Persönlichkeitsrechte), über die Zurschaustellung von Nacktheit in Zeitschriften, vor allem auf Deckblättern, die von Kindern in Kiosken, Tankstellen usw. gesehen werden können, um Spielzeuge usw.

Diese Diskussion hat zu wenigen Ergebnissen geführt und das allgemein verbreitete Gefühl, daß man in Deutschland mehr oder weniger alles erlaubt, ist nicht ganz unberechtigt.

Das liegt unter anderem daran, daß während auf politischer Ebene es bei der Diskussion bezüglich des idealen Jugendmedienschutzes um Ursache und Wirkung von bestimmten Medienprodukten geht, es beim „Menschen auf der Straße“ um die moralische oder ethische Wertung bestimmter Produkte geht, egal was für eine Wirkung sie haben.

Wenn eine Person der Meinung ist, daß die Erotik bei Bravo und die Gewalt bei Counterstrike schlecht sind, erwartet sie von der Politik Einschränkungen, unabhängig davon, ob es schließlich Amokläufe und schwangeren Mädchen kommt oder nicht.

So denken natürlich vor allem Menschen, die ihre Meinungen aufgrund von religiösen und moralischen Grundlagen bilden. Diese haben auch die größte Motivation zum protestieren.

Natürlich richtet sich der Jugendmedienschutz auch nach Werten und Prinzipien. Doch nur in Fällen wie Rassismus, Nationalsozialismus und extremer Pornographie wird stringent nach dem immanenten moralischen Übel beurteilt, ansonsten „wägt man ab“ und zwar nach einer Vielzahl von Kriterien: Die schon besprochene Wirkung, die aktuellen Wertvorstellungen (angeblich akzeptiert „man“ heute mehr Nacktheit als früher), Meinungs- und Kunstfreiheit usw.

Ergebnis: Damit schließlich ein Medienprodukt verboten wird, muß es selbst für den liberalsten der Liberalen haarsträubend sein, was sich natürlich mit der Zeit verändert.

Spätestens hier erkennt man die Schwäche unseres liberalen Staates. Wenn man eine Nation mit dem blinden Glauben aufbaut, daß der „aufgeklärte“ Mensch weiß, was gut und was schlecht ist, schafft man schließlich die Bedingungen, damit dieser Staat zerstört wird. Ein Staat, selbst ein säkularer Staat, der also keine bestimmte Konfession vertritt, darf trotzdem nicht wertfrei sein. Es muß gewisse Werte vertreten und verteidigen, zumindest um sich selbst zu schützen und einen gewissen Wertekonsens in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Ansonsten kann es kaum überleben.

Auf den Jugendmedienschutz bezogen heißt das, daß wir eine stärker werteorientierte Beurteilung von Zeitschriften, Fernsehsendungen, Computerspielen und sonstige Medienprodukte brauchen – für die Kinder und Jugendlichen, für die Familien, für den Staat.

Copyright: Mathias von Gersdorff

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