Arbeitsminister Franz Müntefering hält Stundenlöhne von vier Euro für „sittenwidrig“ und will sich dafür einsetzen, diese „Ungerechtigkeit“ zu beheben und „Klarheit im Arbeitsmarkt anhand von Mindestlöhnen oder Kombilöhne zu schaffen“.
Was soll man davon halten:
Die Löhne werden entgegen geläufiger Meinung nicht von den Arbeitgebern, sondern vom Markt und vom Staat festgelegt. In der Regel hat sich jede Beschränkung des Arbeitsmarktes gegen die Arbeitnehmer gerichtet, denn sie wurden schlichtweg arbeitslos. Die Arbeitnehmer, die mehr als vier Euro leisten, verdienen auch mehr, die anderen werden keine Anstellung mehr finden.
Abgesehen davon kann man sich fragen, ob das deutsche Steuerrecht vier Euro pro Stunde tatsächlich als „sittenwidrig“ ansieht oder nicht. Denn so gesehen scheinen vier Euro netto gar nicht so schlecht zu sein, denn dadurch verdient jemand im Monat 640 Euro (wenn er 20 Tage im Monat acht Stunden täglich arbeitet). Dann würde diese Person, falls er in der Steuerklasse I ist, im Jahr 7680 Euro verdienen und liegt damit knapp über den steuerfreien Grundfreibetrag von gegenwärtig 7664 Euro. Würde man ihm den Lohn erhöhen, wie Müntefering das will, würde er sofort beginnen, Lohnsteuer zu zahlen und würde damit vom Gesetzgeber durchaus als wirtschaftsstark genug betrachtet, um sich an den Kosten des Staates zu beteiligen.
Wie kommt man überhaupt zu einem solchen Lohn? Müntefering sagt, daß man mit vier Euro pro Stunde nicht leben kann. Er meint also einen Netto-Stundenlohn. Dann kann man verschiedene Fälle betrachten:
Falls der Arbeiter in einer sozialversicherungspflichtigen Stelle Arbeitet, bekommt er etwa 6 Euro Brutto, ist vollversichert und muß je nachdem Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Kirchensteuer zahlen. Wenn Müntefering also meint, dieser Stundenlohn wäre sittenwidrig, wieso muß er noch Steuern zahlen?
Falls der Arbeiter selbstständig ist, beispielsweise ein erfolgloser Taxifahrer, ist er möglicherweise überhaupt nicht versichert. Nach neuesten Statistiken wird die Zahl von Selbständigen, die sich eine Krankenversicherung nicht leisten können, immer größer. Das ist möglicherweise der Grund, wieso unsere Gesundheitspolitiker in der Gesundheitsreform den Privaten Versicherern einen Basistarif aufdrücken wollen. Falls er versichert ist, muß er einen wichtigen Teil seines Einkommens dafür ausgeben, was ihn tief unter der Armutsgrenze drückt. Doch politisch ist er trotzdem angeschmiert, denn Müntefering und die gesamte SPD hat keinerlei Interesse, den Selbständigen zu helfen. Ganz im Gegenteil, nach ihnen sollte der Selbstständigen Status wie er heute existiert komplett aufhören.
Dies zeigt sich unter anderem in der extrem unsozialen Behandlung der Geringfügig Beschäftigten. Diese gelten als selbständige Arbeitnehmer, dessen Beiträge direkt vom Arbeitgeber bezahlt werden. Die gegenwärtig regierende Schwarz-Rote Koalition hat den Arbeitgeber-Pauschalbetrag für diese Minijobs von 25 % auf 30 % erhöht und damit liegen die Beiträge über dem, was sie zahlen müßten, wenn das sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen wären. Dies ist politisch so gewollt, um diese Minijobs in die Sozialversicherung zu drängen. Falls, wie angekündigt, die Arbeitslosenversicherung um zwei Punkte gesenkt wird (Minijobs zahlen keine Arbeitslosenversicherung), würde die Mehrbelastung der Minijobs gegenüber den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstellen bei einem Bruttolohn von 400 um 40 Euro höher liegen.
Man könnte behaupten, daß dadurch nicht die Arbeitnehmer, sondern die Arbeitgeber zur Kasse gebeten werden. Das ist nur bedingt richtig, denn der Arbeitgeber guckt bei einer Anstellung auf den Bruttolohn und dieser wurde ab dem 1. Juli 2006 um fünf Prozentpunkte erhöht. Diese Belastung muß zumindest teilweise oder wahrscheinlich sogar ganz vom Arbeitnehmer getragen werden, indem er mehr für denselben Nettolohn leistet, damit er überhaupt noch angestellt wird, denn ansonsten bleibt er ohne Arbeit. Mit dieser Steuererhöhung hat die Schwarz-rote Koalition gerade die Ärmsten in unserer Gesellschaft mehrbelastet.
Wenn sich Herr Müntefering so große Sorgen um die Armen in unserer Gesellschaft macht, versteht man auch nicht, wieso er für die Erhöhung der Mehrwertsteuer eingetreten ist. Es ist nämlich eine ökonomische Tatsache, daß je geringer das Einkommen, desto höher die prozentualen Ausgaben für Konsum. Deshalb tragen die Ärmsten die höchste Last der Mehrwertsteuererhöhung. Wenn sich Müntefering sorgen über angeblich „sittenwidrige“ Stundenlöhne macht, sollte er sich fragen, wieso er eine derart unsoziale Maßnahme, wie das die Mehrwertsteuererhöhung ist, durchführt.
Copyright: Mathias von Gersdorff