Kardinal Reinhard Marx. Foto: Erzbistum München-Freising |
Zu Recht: In einer Zeit, in der das Christentum in Deutschland um sein Überleben kämpft, torpediert der Vorsitzende der Bischofskonferenz eine Maßnahme, die dem Christentum hierzulande mehr Sichtbarkeit verleihen soll.
Entsprechend fielen die Reaktionen aus:
Während die Christen aller Konfessionen, die den Ernst der (un)religiösen Lage erkennen, mit Fassungslosigkeit und Abscheu auf die Aussagen des Münchner Erzbischofs reagierten, jubelten diejenigen, die sich ein laizistisches und atheistisches Deutschland wünschen.
Der Angriff von Kardinal Marx auf die Anbringung von Kreuzen an staatlichen Behörden zeugt von einer wahren Verachtung für die Interessen des Christentum in Deutschland, dennoch kommt er nicht unerwartet.
Allein dieses Jahr gab der Oberhirte von München Anlass zu Schlagzeilen, die Zweifel wecken, ob ihm am Wohl der katholischen Kirche und des Christentums in Deutschland gelegen ist.
So unterstützte er in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk die Forderung von Bischof Franz-Josef Bode, homosexuelle Paare zu segnen. Dieses Ansinnen erzeugte eine lebhafte Debatte, die erst ein Ende nahm, als er – einen Monat später – erklärte, er hätte „das nicht so gemeint“. Die katholische Öffentlichkeit schüttelte den Kopf über so viel Zynismus.
Kurz danach präsentierte er seine Vorstellungen zur Interkommunion in Mischehen. Begründet wurde es mit Tricks und kirchenrechtlichen Spitzfindigkeiten. Auf lokaler Ebene sollten die Pfarrer entscheiden, ob die Spendung der Kommunion in Einzelfällen an nichtkatholische Ehepartner möglich sein könne. Auf diese Weise vermied es Kardinal Marx, ein verbindliches bischöfliches Dokument verfassen zu müssen. Diesen Trick der „Einzelfallentscheidungen“ hatte er zuvor schon für die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene angewendet. Auf diesem Weg war Kardinal Marx dabei, die Situationsethik in die katholische Kirche einzuführen und zugleich den "Schwarzen Peter" den Priestern vor Ort zuzuschieben.
Der Angriff auf die Kreuze an staatlichen Behörden ähnelt dem Appell an die Katholiken, Muslime in ihre Häuser einzuladen (Karfreitag 2018). Er formulierte damit in der Frage des Glaubens keinen Appell zur Mission, sondern zur Akzeptanz.
Diese öffentlichen Interventionen zeigen, dass Kardinal Reinhard Marx durchaus Sinn für das Symbolische besitzt. Doch nicht, um den katholischen Glauben in einer Zeit der Bedrängnis zu stärken, sondern um ihn zu schwächen.
Zu Kardinal Marx passt der in sein Gegenteil veränderte Vers aus 42,2 aus Jesaja: „Das geknickte Rohr zerbricht er und den glimmenden Docht löscht er aus.“
Bei einem Hirten, der sich so verhält, stellt sich die Frage, welche Autorität er überhaupt noch beanspruchen kann?
Zur Beantwortung dieser Frage gibt es eine Rede von Kardinal Walter Brandmüller am 7. April 2018 in Rom Hinweise. Demnach kann der „sensus fidei“ (Glaubenssinn) durchaus dazu führen, dass ein Bischof zwar nicht die Weihe, wohl aber sein Hirtenamt verliert, weil er in den Augen der Gläubigen nicht mehr Bischof ist.
Kardinal Brandmüller: „In negativer Hinsicht wirkt der sensus fidei hingegen wie eine Art geistigen Immunsystems, das den Gläubigen allen Irrtum instinktiv erkennen und abweisen lässt. Auf diesem sensus fidei ruht dann – von der göttlichen Verheißung abgesehen – auch die passive Unfehlbarkeit der Kirche, nämlich die Gewissheit, dass die Kirche als Ganzes nie einem Glaubensirrtum verfallen kann.“
Den vollständigen Text in deutscher Übersetzung der Rede von Kardinal Brandmüller findet man hier: http://www.kath.net/news/63391/print . Das italienische Original kann hier gelesen werden: https://www.marcotosatti.com/2018/04/08/chiesa-dove-vai-atti-del-convegno-il-testo-del-card-brandmuller/
Der wesentliche Punkt in der Rede Brandmüllers ist folgender: Die Gläubigen besitzen ein Licht, durch das sie erkennen, wenn ein Hirte sie in die Irre führt. Dann sind sie nicht zum Gehorsam verpflichtet, sondern zum Widerstand berechtigt. Es gibt genug Beispiele in der Geschichte, in der es zu einer ähnlich tragischen Situation kam.
Kardinal Brandmüller: „Dabei finden wir in der Tat nicht wenige Zeugnisse für die gewichtige Rolle des Glaubenszeugnisses der Laien. Es ist wiederum Kardinal Newman, der unseren Blick auf die Arianismus-Krise des 4. Jahrhunderts lenkt. In dieser Situation . . . versagten die Bischöfe weithin. „Sie sprachen uneinheitlich, einer gegen den anderen; nach Nicaea gab es fast 60 Jahre kein festes, beständiges, konsequentes Zeugnis.“ Während nun der Episkopat verunsichert und gespalten war, „wurde die der unfehlbaren Kirche anvertraute göttliche Tradition weitaus mehr durch die Gläubigen als durch den Episkopat verkündet und aufrechterhalten.“
Auf Kardinal Marx angewandt stellt sich die Frage:
Kann man einem Hirten folgen, der gezielt und präzise – geradezu mit einem „unfehlbaren“ Instinkt - versucht, die Gläubigen in einigen für die heutige Zeit entscheidenden Fragen zu desorientieren und sie gegenüber den Angriffen auf Glaube und Kirche zu schwächen?
Die Antwort auf diese Frage kann nicht allein durch einzelne Stimmen kommen. Wir beobachten die Situation aber weiter mit großer Aufmerksamkeit.