Mittwoch, 11. Januar 2017

Können die letzten Aussagen Kardinal Müllers die Debatte um Amoris Laetitia beenden?

Kardinal Gerhard Müller. Foto: Pressestelle Bistum Regensburg
Die Kritik des Präfekten der Glaubenskongregation an den vier Kardinälen, die sich an Papst Franziskus mit Fragen zu seinem Schreiben Amoris Laetitia gewandt haben, hat bei manchen zur Überlegung geführt, ob damit die Diskussion um das päpstliche Familiendokument nicht beendet sei.

So schrieb beispielsweise Guido Horst von der Tagespost am 9. Januar 2017: „Auch die bisher in der Öffentlichkeit geführte Debatte über die „dubia“, die Zweifel der vier Kardinäle, ist beendet. In Fachkreisen kann sie weitergehen, aber als Aufreger taugt sie nicht mehr.“

Die Zeit wird zeigen, ob diese Vorhersage eintrifft oder nicht. Doch Zweifel sind jedenfalls angebracht. Aus verschiedenen Gründen:

Erstens: Inzwischen sind einige Bistümer und sogar manche Bischofskonferenzen dabei, wiederverheiratete Geschiedene in Einzelfällen zur Kommunion zuzulassen. Dies soll (theoretisch zumindest) nach einer sorgfältigen Prüfung und nach einem Weg der Buße geschehen. Abgesehen davon, dass die Bischöfe, die so vorgehen, dabei sind, Fakten zu schaffen, die nur mit großen Verrenkungen in der Auslegung von Amoris Laetitia begründen werden können, liegen diese Maßnahmen weit diesseits dessen, was das Lager der Progressisten anstrebt.

Im Vorfeld der beiden Synoden (Herbst 2014 und Herbst 2015) wurde klar, dass der Progressismus eine massive Schleifung der katholischen Sexualmoral anstrebte. Der Anfang sollte die Zulassung der sog. wiederverheirateten Geschiedenen sein, doch angestrebt wurde viel mehr: Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, moralische Unbedenklichkeit von Verhütungsmittel, Akzeptanz von „wilden Ehen“ etc.

Was die wiederverheirateten Geschiedenen angeht, sollten sie generell zur Kommunion zugelassen werden und nicht lediglich in Einzelfälle und nach genauer Prüfung.

So ist es nicht verwunderlich, dass sich schon die ersten kritischen Stimmen melden und das – aus ihrer Sicht – dürre Ergebnis bedauern, wie etwa der deutsche Joachim Frank, Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP).

Zweitens: Die Sexualmoral der katholischen Kirche ist ein Konstrukt, der sozusagen aus einem Guss ist. Man kann einzelne Bausteine nicht herausnehmen, ohne dass der Bau zusammenfällt.

Eine liberale Auslegung von Amoris Laetitia wird auf diese Weise zwangsläufig zu einer Situation führen, die die katholische Sexualmoral als widersprüchlich erscheinen lässt. Wieso dürfen beispielsweise wiederverheiratete Geschiedene etwa die Kommunion empfangen, und in wilder Ehe Lebende nicht? Letztere befinden sich nicht einmal im Zustand des Ehebruchs.

Die Progressisten und die mit ihnen befreundeten Medien werden schon dafür sorgen, dass die (restriktiven) Ausnahmen für wiederverheiratete Geschiedene immer mehr ausgeweitet werden. Früher oder später wird man nicht nur wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zulassen, sondern auch andere Personen, die die Sexualmoral der Kirche nicht befolgen.

Dies wird nicht nur zu einer immensen Anzahl von sakrilegischen Kommunionen führen, sondern zu einer Aushöhlung der Sexualmoral.

Die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen tangiert zudem drei Sakramente: Ehe, Buße (Beichte) und Eucharistie. Das Verständnis jedes einzelnen dieser Sakramente verbietet die Kommunion an Personen, die im Zustand der schweren Sünde leben (was der Ehebruch ist).

Zusammengefasst: Sollte aufgrund von Amoris Laetitia ein Prozess der Auflösung der Sexualmoral beginnen, so wäre die katholische Kirche in ihren Grundfesten bedroht und der katholische Glauben in akuter Gefahr.

Es ist nicht anzunehmen, dass glaubenstreue Katholiken das einfach hinnehmen.

Die „dubia“ der Kardinäle Burke, Brandmüller, Meisner und Cafarra bezüglich Amoris Laetitia sind im Grunde der Versuch, die oben beschriebene Gefahr schon gleich am Anfang zu beseitigen. Möglicherweise wird diese Gefahr noch von zu wenigen erkannt. Doch früher oder später muss eine heftige Reaktion gegen diesen Zersetzungsprozess der Sexualmoral entstehen, denn ansonsten wäre die Existenz der katholischen Kirche in Gefahr.