Mittwoch, 15. Juni 2016

Sind konservative Katholiken per se Fundamentalisten und rechts?

Hl. Bonifatius fällt Donareiche Foto: Bernhard Rode - Eigene Fotografie, Gemeinfrei, Wikimedia Commons
In regelmäßigen Zyklen entflammt die öffentliche Debatte rund um das Thema „Fundamentalismus“. Abwechselnd geht es um politischen oder um religiösen Fundamentalismus.

Seit etwa zwei Jahren wird jedoch der Versuch unternommen, beide Ausprägungen des vermeintlichen Fundamentalismus in einen Topf zu werfen.

In diesem Kontext ist der fragwürdige Begriff „Rechtskatholizismus“ entstanden. Abgesehen davon, dass der Begriff in der Geistesgeschichte nicht existiert, ist unklar, was damit gemeint sein könnte. Den Versuch einer Deutung habe ich im Artikel "Neue Kreation von Antifa & Co.: Rechtskatholikenunternommen.

Generell wird in der öffentlichen Debatte das Wort „Fundamentalismus“ als Totschlagkeule verwendet. Das Ziel ist es, vermeintliche „Fundamentalisten“ ins gesellschaftliche Aus zu schicken. Kurz: Der Begriff „Fundamentalismus“ ist in der Regel ein Instrument einer radikalen Strategie der Ausgrenzung.

Kürzlich wurde auf „Deutschlandradio Kultur“ eine Reportage mit dem Titel „Auseinandersetzung mit Fundamentalisten - Was, wenn nicht reden?“ ausgestrahlt.

Auch in dieser Sendung wurden religiöse und politische „Fundamentalisten“ in einen Topf geworfen. Gemeinsamer Nenner aller Fundamentalisten soll eine bestimmte „fundamentalistische“ Weltanschauung sein. Nun, woraus besteht sie? Gehören die sogenannten „Rechtskatholiken“, auf die ich mich hier beschränken werde (in der Sendung ging es auch um islamischen, evangelikalen und politischen Fundamentalismus) dazu?

Der Einfachheit halber werde ich hier den angeblich existierenden Rechtskatholizismus mit dem konservativen Katholizismus mehr oder weniger gleichsetzen, obwohl diejenigen, die den Begriff „Rechtskatholizismus“ verwenden, durchaus manche Unterscheidungen vornehmen.

In der Sendung wurden Fundamentalisten folgendermaßen beschrieben: „Das Prinzip ist immer das gleiche: Zuerst wird Panik geschürt und eine Diagnose gestellt, die da lautet: Die Welt ist schlecht. Eine Diagnose, die nie so völlig falsch ist, aber eben auch nicht richtig. Auf die Diagnose folgt die Verheißung: Wenn wir die Welt wieder in Gut und Schlecht aufteilen und uns das Schlechte vom Hals halten, dann wird alles gut, für uns. Das Schlechte kommt nämlich immer von den anderen.“

Gilt diese Analyse für die vermeintlichen „Rechtskatholiken“?

Zum Teil schon, denn die katholische Kirche lehrt tatsächlich, dass der Mensch mit der Erbsünde auf die Welt kommt und damit verbunden mit einem Hang, Böses zu wollen. Diese Neigung bleibt lebenslänglich und die Welt wird bis zum letzten Tag ein Ort sein, in welchem die Sünde existiert. Doch aufgrund des Erlösungswerkes Jesu Christi wird das übernatürliche Leben im Menschen wieder hergestellt, sofern er das auch will und die (schwere) Sünde vermeidet (der Hang zur Sünde wird dadurch aber nicht beendet).

Dass die Welt in Gut und Böse aufgeteilt werden kann, stimmt durchaus. Diese Auffassung geht auf den Kirchenlehrer Augustinus und seine Lehre der zwei Städte zurück. Diese erläutert Augustinus in „De civitate Dei“ (lat. „Vom Gottesstaat“). Die katholische Sicht der Welt ist also durchaus bipolar. Heute wird diese Sicht der Dinge oft als „fundamentalistisch“ bezeichnet.

Dass das Schlechte immer von den anderen kommt, ist nicht Ansicht der Katholiken. Das Böse kommt von einem selber (aufgrund der eigenen Neigung zum Bösen), von der Welt (und ihren Verführungen) und vom Teufel. Dies bezeugt die Heilige Schrift und das ist die sogenannte dreifache Konkupiszenz, Grundlage der katholischen Askese.

Ein weiteres Merkmal eines Fundamentalisten laut der Sendung im Deutschlandradio:Ein Fundamentalist ist ein Mensch, der ein geschlossenes Weltbild hat und andere Sichtweisen und Anschauungen nicht mehr zulässt."

Für Katholiken gilt das sehr wohl. Heilige Schrift und Lehramt liefern dem Gläubigen tatsächlich ein geschlossenes Bild über sich, über die Welt und über Gott. Insofern sind Katholiken nach moderner Auffassung durchaus „Fundamentalisten“, allerdings nicht nur die Rechtskatholiken oder die konservativen Katholiken, sondern alle, die mit Überzeugung das Glaubensbekenntnis beten.

Für die Juristin Liane Bednarz besitzen Fundamentalisten auch folgende Eigenschaft: „Ein Fundamentalist ist jemand, der das EIGENE Weltbild zum Maßstab für alle erklärt, der also davon überzeugt ist, dass das, woran er glaubt, sei es politisch oder religiös, die Wahrheit und damit die einzige Wahrheit ist und der somit ein fundamentales Problem mit anderen Ansichten hat.“

Konservative Katholiken wären entsprechend dieser Beschreibung eindeutig keine Fundamentalisten, denn sie besitzen kein EIGENES Weltbild, sondern das Weltbild der katholischen Kirche. Wie schon erläutert, ist dieses durch Heilige Schrift und kirchliches Lehramt gebildet. Das Kennzeichen von Katholiken ist geradezu, dass sie sich dem Urteil der Kirche freiwillig anschließen.  

Die von Frau Bednarz entworfene Definition gilt eher für progressistische Katholiken, die oft eine Abneigung gegen das Lehramt haben und seine Autorität nicht akzeptieren. Progressisten entwickeln dadurch rasch ein EIGENES Weltbild und versuchen, dieses der Allgemeinheit aufzuoktroyieren.

Frau Bednarz präzisiert: „Man erkennt einen Fundamentalisten daran, dass er sich sehr stark für die eigene Wahrheit auch öffentlich sich ins Zeug legt, sehr dazu neigt, andere Ansichten abzuwerten.“

Diese Haltung ist – was die Katholiken anbelangt – typisch für die Progressisten und die Linkskatholiken. Konservative Katholiken verlassen sich auf den Papst, der Glaubenskongregation, glaubenstreue Theologen etc.

In der öffentlichen Debatte wird oft suggeriert, konservative Katholiken oder „Rechtskatholiken“ seien quasi automatisch Anhänger der Partei „Alternative für Deutschland“. Insbesondere Frau Liane Bednarz vertritt diese These.

Diese These ist strikt abzulehnen. Für den Katholik ist der Aufenthalt auf dieser Welt nichts anderes als eine Vorbereitung für das Leben nach dem Tod. Entsprechend dem Gebot der Nächstenliebe soll er dahin wirken, dass die Erlangung des ewigen Heils für sich selbst, aber auch für die anderen, möglichst einfach wird. Jedoch darf der Katholik nicht vergessen, dass er stets ein Pilger in einer vergänglichen Welt bleibt und sein Ziel weit über die Dinge dieser Welt hinausragt. Es lassen sich vielleicht Situationen ausdenken, in denen ein Katholik quasi verpflichtet ist, eine bestimmte Partei zu unterstützen. Doch das wird nur sehr selten möglich sein können. In der Regel – und vor allem heute – wird ein Katholik am besten überparteilich sein.